Einleitung
Es ist Mai 2022 und Ronnie O'Sullivan sitzt in seiner Umkleidekabine im Crucible in Sheffield und steht kurz davor, seine siebte Weltmeisterschaft zu gewinnen. Mit diesem Erfolg würde er Stephen Hendrys Rekord in der modernen Ära einholen und seinen Status als größter Snookerspieler aller Zeiten festigen. Doch er kann es nicht ertragen, wieder rauszugehen und zu spielen. "Ich habe Lampenfieber", sagt O'Sullivan zu seinem Psychiater Dr. Steve Peters. "Ich habe das Gefühl, dass ich weinen möchte. Ich will mich dem Ganzen nicht stellen. Ich schaue auf mein Queue und meine Augen fühlen sich verschwommen an." Der 46-jährige O'Sullivan hat zwar einen frühen Vorsprung in der Finalrunde erzielt, aber sein jüngerer Gegner Judd Trump hat in der Nachmittagssession sechs Frames gewonnen und sich auf 14-11 herangekämpft. "Ich habe Angst, Kumpel", sagt O'Sullivan.
Diese Szene aus Sam Blairs neuem Dokumentarfilm "Ronnie O'Sullivan: Die Grenze des Alles" veranschaulicht die Qualen, die der talentierteste Spieler des Snookers sich für den Wettkampf selbst antut. Ronnie 'The Rocket' O'Sullivan hat während seiner langen und erfolgreichen Karriere fast jeden bedeutenden Rekord des Spiels gewonnen, aber seine Kämpfe mit Depressionen, Alkohol und Drogen sind wohlbekannt. Blairs Film ist nicht nur eine Charakterstudie über die Abhängigkeit von Snooker-Perfektion, sondern auch von den "dunklen Orten", die ihn seine "toxische Konkurrenzfähigkeit" führen kann. "Emotional hat es mich wieder erwischt und ich hasse das", sagt er nach dieser schlechten Session gegen Trump.
Die Beziehung zu seinem Vater und die Anfänge des Erfolgs
Ronnie O'Sullivan entdeckte mit sieben Jahren den Snooker. In einer Szene erinnert sich O'Sullivan an seinen Vater Ronnie O'Sullivan Senior, der ihn im Alter von neun oder zehn Jahren zu einem "ernsten Gespräch" setzte. In diesem Gespräch sagte ihm sein Vater, dass er der beste Snookerspieler der Welt werden würde. O'Sullivan Senior zwang seinen jungen Schützling außerdem zum Laufen, um fit zu bleiben, während er selbst im Auto hinterherfuhr. Obwohl O'Sullivan die Erfahrung als "demütigend" bezeichnet, sagt er, dass er es "gebraucht" habe, sonst "wäre ich ein Verlierer gewesen und das hätte er nicht akzeptiert".
Der Schock des Vaters im Gefängnis
Als O'Sullivan erst 16 Jahre alt war, wurde sein Vater, der sein Vermögen mit Sexshops in Soho gemacht hatte, wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Für den jungen O'Sullivan war dies verheerend. "Das kann man einfach nicht begreifen", sagt er. "Ich konnte das nicht verstehen." In einer Szene erinnert sich O'Sullivan unter Tränen an die Worte seines Vaters nach dem Urteil: "Sag meinem Jungen, dass er gewinnen soll."
Kampf gegen Alkohol, Drogen und Depressionen
Anfang dieses Jahres erzählte der siebenfache Weltmeister dem BBC-Radiosender Today, dass er "sechs, sieben Jahre durch Trinken und Kiffen" verloren hat. Sein enger Freund, der berühmte britische Künstler Damien Hirst, erzählt eine erschreckende Geschichte darüber, wie nah O'Sullivan dem Abgrund stand. "Ich hatte einmal eine Situation mit Ronnie, in der er mich anrief und sagte: 'Schau mal, ich bin bei den Masters, ich muss ins Priory'", erzählt Hirst. "Ich sagte: 'Ich komme jetzt sofort mit dem Auto, ich bringe dich hin'. Wir haben uns hingesetzt, eine Tasse Tee getrunken, er hat sich ein wenig beruhigt. Dann sagte er: 'Willst du ein bisschen auf dem Übungstisch spielen?' Wir haben ein bisschen gespielt und dann sagte er: 'Ich glaube, ich spiele heute Nachmittag.'" Hirst sagt, dass O'Sullivan anschließend das Turnier gewonnen hat.
Die Balance zwischen Schmerz und Erfolg
O'Sullivan spricht ständig davon, seine Beziehung zum Snooker zu managen. In einem Interview auf dem Sofa erklärt er, was für ihn das "Gewinnsystem" bedeutet. "Du musst dich einfach in den Senf hüllen und tief eintauchen - Schmerzen und Leiden", sagt O'Sullivan. "Oder ich kann den Ansatz wählen, den ich in den letzten fünf Jahren hatte und einfach jedes Spiel genießen. Das war in Ordnung - es gibt weniger Kampfnarben, weniger Depressionen - du spielst es einfach so, wie du es als Kind getan hast. Manchmal musst du wählen, wie sehr du es willst."
Der Rat an den jungen Trump
Als O'Sullivan 2022 zum siebten Mal Weltmeister wurde, hatte er eine längere Umarmung mit seinem Gegner Trump, die über eine Minute dauerte. Blairs Dokumentarfilm fängt auf O'Sullivans Mikrofon auf, was zwischen den beiden gesagt wurde. "Genieße dein Snooker, lass sie dich nicht ausbrennen", rät O'Sullivan dem 34-jährigen Bristolianer. Trump bedankt sich bei dem älteren Spieler und sagt: "Du hast dir Zeit für mich genommen und das werde ich immer zu schätzen wissen." Als der jüngere Mann seinem Gegenüber sagt: "Du bist der beste Spieler aller Zeiten, ich liebe dich, Mann", bricht O'Sullivan in Tränen aus. Als nächstes sehen wir, wie The Rocket seine Kinder umarmt und ihnen sagt: "Ich kann das nicht mehr! Es wird mich umbringen!" Mit 46 Jahren ist er der älteste Weltmeister in der Geschichte des Crucible. Als O'Sullivans Vater mit ihm für Fotos mit dem Pokal posiert, sagt er zu seinem Sohn: "Das war's jetzt, oder? Bist du jetzt fertig?" O'Sullivans Antwort ist ambivalent: "Ich weiß es nicht, Kumpel..."
Fazit
"Ronnie O'Sullivan: Die Grenze des Alles" ist ab dem 21. November exklusiv in Kinos in Großbritannien und Irland erhältlich und startet am 23. November auf Prime Video. Wenn Sie von den in diesem Artikel behandelten Themen betroffen sind, besuchen Sie bitte die BBC Action Line-Seite.
*Hinweis: Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über Ronnie O'Sullivans Leben und seine Karriere im Snooker. Von seinen Anfängen unter der Führung seines Vaters bis zu seinen Kämpfen mit Depressionen, Alkohol und Drogen - diese Geschichte zeigt die Höhen und Tiefen eines bemerkenswerten Talents. Erfahren Sie mehr über die Herausforderungen, mit denen O'Sullivan konfrontiert war, und entdecken Sie, wie er trotz allem zu einem der größten Snookerspieler aller Zeiten wurde.